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Oder wir können die Philosophen folgendermassen zusammengruppiren.

1. Diejenigen, welche in dieser Welt eine absolute Mannigfaltigkeit von Dingen sehen und die Ausdrücke tå övta oder Od gebrauchen: Anaximander, Anaximenes.

Diejenigen, welche das Weltall als „eins" ansehen und die Ausdrücke v und tò v gebrauchen: Xenophanes, Parmenides, Melissus, Zenon.

3. Diejenigen, welche beides, die Einheit und Vielheit der Welt anerkennen, deren Motto also ev xal mold ist: Heraklit, Empedokles, Anaxagoras, Diogenes, Demokrit.

Dieselbe Anordnung würde sich ergeben, wenn wir die verschiedenen Philosophen gruppiren nach ihrer Stellungnahme zu der Frage von Unsterblichkeit oder Sterblichkeit der Welt.

1. Anaximander und Anaximenes sehen die Welt als sterblich an.

2. Parmenides, Melissus und Zeno sagen die Welt ist unsterblich.

3. Heraklit, Empedokles, Anaxagoras, Diogenes und Demokrit lehren, dass das Ganze des Weltalls unsterblich ist, aber die einzelnen Erscheinungen sterblich sind.

Wir könnten demnach die folgende Tabelle aufstellen.

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Wir sehen hieraus, dass sich die Idee von der unzerstörbaren Substanz erst ganz allmählich im Laufe der griechischen Philosophie entwickelte. Den ersten Denkern war die Vorstellung von einem Stoffe, der verschiedenen Zusammensetzungen bilden kann

in den verschiedensten Verhältnissen, völlig unbekannt. Heraklit sprach zum ersten Male den unerhörten Gedanken aus, dass der Tod keine Vernichtung bedeutet, sondern dass ein Ding lebt vom Tode des andern. Hier wird zum ersten Male die Einheit der Existenz in ahnender Weise ausgesprochen. Parmenides kommt der Lösung noch näher, indem er die ganze Masse des Weltalls als „eins" erfasst und für unerschaffen und unvergänglich erklärt. Empedokles unterscheidet in genialer Weise zwischen den vier unvergänglichen Elementen und ihrer vorübergehenden verschiedenartigen Mischung. Anaxagoras entwickelt zum ersten Male die Theorie von der „Aussonderung“ der „entgegengesetzten Elemente", nämlich des Kalten und Warmen, des Nassen und Trocknen aus. dem ursprünglichen Gemisch aller Dinge. Die unendlich vielen verschiedenen Theilchen vereinigen und trennen sich dann in der Erscheinung des Entstehens und Vergehens der Körper. Diogenes spricht zum ersten Male den Gedanken aus, dass die einzelnen Dinge entstehen durch qualitative Verändernng desselben allen Wesen zu Grunde liegenden Wesens, welches er Luft nennt. Demokrit endlich bringt die ganze Entwickelung zu einem konkreten Abschluss in seiner Theorie von der alleinigen wahrhaften Existenz der Atome und des leeren Raums. Die Verschiedenheit der Dinge erklärt er einfach aus den verschiedenen Eigenschaften, der Lage und Anordnung der Atome.

Nach alledem muss es uns als unmöglich erscheinen, dass schon Thales und Anaximander und Anaximenes die Lehre vertreten haben sollen, dass es einen" allen Dingen zu Grunde liegenden Stoff giebt, der entweder durch „Verdichtung und Verdünnung" oder durch „Aussonderung" 146) die Entstehung der Einzeldinge verursacht und ihre Mannigfaltigkeit erklärt. Dies ist die verhängnissvolle Irrlehre, die von Aristoteles zum ersten Male im allgemeinen ausgesprochen und von den Doxographen in ihren Einzelheiten ausgedacht und ausgesponnen ist. Nach den Doxographen vertreten schon Thales und Anaximenes die Philosophie von einem Grundprincip aller Dinge, das durch Verdichtung und

146) Arist. II, 252.

Archiv f. Geschichte d. Philosophie. XV. 3.

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Peithmann, Die Naturphilosophie vor Sokrates.

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Verdünnung die verschiedensten Gestalten und Formen hervorbringt Wir können deutlich sehen, wie diese Lehre von der Verdichtung und Verdünnung der Luft" zum ersten Male auftritt in dem System des Diogenes. Nichts war daher natürlicher für die Doxographen, als diese Theorie zurückzudatiren zum Anaximenes, der ja auch sagte, dass die Dinge aus der Luft" kämen und in die Luft" wieder verschwänden. Dann war es aber äusserst leicht und selbstverständlich, diese bequeme Lehre von Verdichtung und Verdünnung auch auf die vermeintliche Wassertheorie" des Thales anzuwenden: und sie passte vorzüglich. Ebenso verfuhr man mit der Lehre des Anaxagoras von der Aussonderung der „entgegengesetzten Qualitäten" nämlich des Warmen und Kalten. Dies war um so verführerischer, da Anaximander und Anaximenes in ihrem kosmogonischen System wirklich von den beiden „entgegengesetzten Gestalten", nämlich dem „Feuer“ und der „Nacht", dem „Dichten" und „Dünnen“ gesprochen hatten 147). Aber eine solche Zurückdatirung der Lehre von Stoff und seinen Verwandlungen ist ein wahrer Unsinn und konnte nur vorgenommen werden von Männern, die nur eine unklare und verwirrte Vorstellung hatten von der Entwicklung der Geschichte der ältesten Philosophie. Die Lehre von der gehört ans Ende der philosophischen Entwicklung, aber nicht an den Anfang.

147) Mullach I, Parm. 113-121.

XIII.

Wissen und Glauben bei Pascal.

Von

Dr. Kurt Warmuth, Licentiat der Theologie.

Einleitung.

Um Pascal, gleich gross an Geist und Herz, zu begreifen, muss man an ihm den Mathematiker und den Jansenisten unterscheiden.

Wie er selbst sagt, hat er sich lange Zeit mit dem Studium der abstrakten Wissenschaften beschäftigt und darauf zum Studium des Menschen gewandt. 1)

Als die Wissenschaft schlechthin gilt ihm die Mathematik. Alle Welt kennt seine hervorragenden Leistungen hierin.

Aber die abstrakten Wissenschaften thuen ihm nicht Genüge; neben einem klaren, scharfen Verstande besitzt er ein Herz voll Glut und Leidenschaft. Das Räthsel des Menschen bewegt ihn;

1) I 199. J'avais passé longtemps dans l'étude des sciences abstraites, et le peu de communication qu'on en peut avoir m'en avait dégoûté. Qand j'ai commencé l'étude de l'homme, j'ai vu que ces sciences abstraites ne lui sont pas propres et que je m'égarais plus de ma condition en y pénétrant que les autres en les ignorant: j'ai pardonné aux autres d'y peu savoir. Mais j'ai cru trouver au moins bien des compagnons en l'étude de l'homme et que c'est la vraie étude qui lui est propre.

vergeblich sucht er bei den Philosophen die Lösung, er findet sie im Christenthum, u. z. im Jansenismus. Das Studium des Menschen führt ihn zum Studium der Religion.

Man kann so zwei Stadien seines geistigen Lebens unterscheiden: in dem ersten steht die Mathematik, in dem zweiten der Mensch und die Religion im Vordergrunde seines Interesses.

Der Mathematik hat er besonders seine Jugend gewidmet. Von 1647, wo er zuerst mit den Jansenisten in Berührung kommt

er liest Jansen: „Discours sur la réformation de l'homme intérieur“, bildet das Räthsel des Menschen sein Hauptinteresse. Er studirt die Philosophen. Um sich von seinen angestrengten Studien zu erholen, giebt er sich auf Rath der Aerzte kurze Zeit dem weltlichen Leben hin. Das Ereigniss auf der Brücke zu Neuilly ruft ihn 1654 zur asketischen Lebensweise zurück; er tritt in nähere Verbindung mit Port-Royal und widmet sich zumeist religiösen Studien: im Jansenismus hat er die Lösung des Räthsels vom Menschen gefunden. Er fasst den Plan, die Atheisten zu widerlegen. Er sammelt Gedanken über die Religion. Während des Sammelns bestimmt sich ihm sein Plan näher dahin, den Glauben bei den Ungläubigen vorzubereiten; kann doch der Mensch weiter nichts, denn der Glaube ist göttliche Wirkung. Er befolgt dabei die Methode des Herzens", sie heisst: échauffer, non instruire. 2)

"

Das ist die Geschichte von Pascals Geist. Und die seines Herzens? Von Jugend auf bis an das Ende hat den Grund seiner Seele ein Glaube erfüllt voll Leben und Kraft; gewiss, er ist zu Zeiten zurückgetreten, aber dann umso gewaltiger hervorgebrochen. Das ist das Geheimniss von Pascals Grösse: er vereinigt in sich ein eminentes mathematisches Genie und eine tiefreligiöse Natur.

Das erste Stadium. Als Mathematiker tritt uns Pascal in den mathematischen, naturwissenschaftlichen und logischen Fragmenten entgegen: Préface sur le traité du vide, nach Faugère 1647; L'Esprit géométrique, 1655? L'art de persuader, wahrscheinlich erst 1657 oder 58. Hier vertraut Pascal der Kraft des

2) II 265.

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