480, gest. in einem Kloster um 575) gewann durch meh rere viel gelesene Bücher, unter welchen das über die sieben Wissenschaften *) hier vorzugsweise zu erwähnen ist, eine ähnliche Einwirkung auf die intellectuelle Cultur des Mittelalters. Hierzu kam später die lateinische Uebersehung der dem Dionysios Areopagita beigelegten Schrifs ten, welche phantastische und mystische Vorstellungen im Geiste des Neuplatonismus, angewandt zur Deutung des Bibelsinnes und der Kirchenlehre, nebst bigoten Lobpreis sungen des kirchlichen Ceremonialdienstes und des Monchslebens u. d. g. m. enthalten. Indem diese, wie es scheint, nicht vor dem fünften Jahrhundert entstandenen Producte einer vernunftelnden Schwärmerei auf einen unmittelbaren Schuler des Apostels Paulus und ersten Bischof zu Athen zurückgeführt wurden, der daselbst den Martyrertod erlitten haben soll, fingen sie an ein unges bührliches Ansehen unter den Christen, in der griechischen Kirche bereits seit dem sechsten Jahrhundert, in der lateinischen erst im neunten, zu erlangen. Vornehmlich aus dem Marcianus Capella, dem Boe= thius und dem Cassiodorus schopften die beiden, zu ih rer Zeit den ersten Rang in der litterarischen Welt bes hauptenden englischen Gelehrten, Beda und Alcuinus (jener geb. 672, gest. 735, dieser geb. vor der Mitte des achten Jahrhunderts, gest. 804) das Wenige, was sich über philosophische Gegenstände in der zahl: reichen Menge ihrer hinterlassenen Werke sindet. Et was früher, als Beda, erwarb sich im Abendlande 1) de septem disciplinis. t den Nuhm, der gelehrteste Mann seines Zeitalters zu seyn, Isidorus, Erzbischof von Hispalis (gest. 636), der unter andern ein allgemeines Realwörterbuch verfaßte *). In der Reihe der Philosophen verdienen diese Männer nicht ausgezählt zu werden, obgleich sie für die lateinis sche Kirche die Repräsentanten alles gelehrten Wissens ihrer Zeit sind. Die Beengung des Gedankens durch die Fesseln des Kirchenglaubens, die Geschmacklosigkeit in Sprache und Darstellung, die Beschränkung des Fleißes auf bloße Sammlung durstiger Materialien und die Beziehung alles wissenschaftlichen Strebens auf kirch= lich theologische Ansichten und Zwecke bezeichnen uns den sehr bedingten untergeordneten Werth und den Abdruck des Charakters ihres Zeitalters in ihren Schriften. Durch Alcuin, ward Karl der Große am meisten in seinen bekannten ruhmwürdigen Bemühungen unterstist, die Schulanstalten in seinem weiten Reiche zu verbes sern und zu vermehren. Zwar ward unter seinen Nachfolgern nicht in seinem Sinne für die allgemeine Volksbildung Sorge getragen; der Unterricht der Laien wurde vernachlässigt, und Karls großer segensreicher Plan kam keineswegs in seinem ganzen Umfange zur Ausführung. Dennoch erhielt sich seitdem in den Ländern seines Reis ches eine beträchtliche Menge von Schulen für die Geists lichen, sowohl in den Kidstern, wo sie lange die vers hältnismäßig zahlreichsten und blühendsten blieben, als an den bischoflichen Kirchen, wo sie durch das Institut 1) Unter dem Titel Originum sive Etymologiarum L. XX, so genannt, weil es mit der Erklärung der wissenschaftlichen Wörter und Namen die Angabe ihrer grammatischen Abstammung verbindet. der Canonici in Aufnahme kamen. Nach und nach ers hoben sich noch andere Lehranstalten neben diesen. Im zwölften Jahrhundert erblicken wir zu Paris, wo auch die bischdfliche Schule bereits im neunten und zehnten in großem Rufe gestanden, eine Reihe berühmter Lehrer, welche außerhalb dieser Schule *) philosophische, juristis sche und theologische Vorlesungen hielten. Dorthin stromten damals fast aus allen europäischen Ländern so viele Studirende zusammen, daß ihrer Menge die Zahl der Einwohner der Stadt nicht gleich kam. Schon am Ende dieses Jahrhunderts scheint eine nähere Verbindung der ganzen Gesellschaft von Lehrern und Schulern Statt ges funden zu haben. Hieraus ging im dreizehnten vermöge der Rechte und Bewilligungen, welche durch den König von Frankreich und besonders durch die Påbste der An= stalt ertheilt wurden, die Universität zu Paris mit allen den Stiftungen und Einrichtungen hervor, unter denen sie lange ein so großes Ansehen und einen so wichtigen Einfluß auf den Zustand der Wissenschaften in Europa geubt hat. In Italien hatten sich in den vorhergehenden Jahrhunderten besondere Anstalten für den Unterricht in der Rechtswissenschaft und für die Heilkunde ges bildet, unter denen für die erstere die zu Bologna seit dem eilsten die angesehenste war. Aus ihr erhob sich ungefähr zur selben Zeit mit der Pariser gleichfalls eine allgemeine hohe Schule. Bald nach der Bologner ent standen die Universitäten zu Padua und zu Neapel und ebenfalls im dreizehnten Jahrhundert wurden die zu Ox= ford und zu Cambridge berühmt. 1) Mit Erlaubniß des Kanzlers der bischöflichen Kirche oder auch der Abtei der heil. Genoveva. 4. Die Philosophie und Theologie, welche in den Kloster und Domschulen, und später besonders auf den ho hen Schulen im christlichen Abendlande während des Mittelalters bearbeitet und gelehrt wurden, haben wegen dieses ihres Ursprunges aus jenen Instituten und wegen der Bes schränktheit ihrer Pflege auf den Umkreis derselben den Namen der scholastischen erhalten. An den Namen der scholastischen Philosophie knupft sich die Bedeutung des Charakters, welcher dem philosophischen Treiben der zur rdmischen Kirche gehdrigen christlichen Gelehrten durch das Mittelalter hindurch ausschließlich angehdrt, und welcher an ihm auch nach der sogenannten Wiederherstellung der Wissenschaften bis zum Zeitalter des Des: Cartes im Ganzen genommen als der vorherrschende erscheint. Die - wesentlichen Merkmale dieses Charakters sind die einseitige Bewegung der philosophischen Forschung und ihrer Methode unter Leitung der Lehrformeln und Lehrbestimmungen, welche aus der Aristotelischen und der neuplatonischen Schule in die Schulen des Mittelalters sich vers pflanzten, nebst der Geschmacklosigkeit und der pedantischen Steifheit in der Darstellung, deren Mittel das barbarische Monchslatein war; dann das Festhalten im Gebiete der Religion und Moral an unwürdigen, durch die Hierarchie und den Zeitgeist ausgedrungenen Wahnbegriffen, welche in theoretischer Hinsicht für geoffenbarte göttliche Wahrheit, in praktischer für die unerläßliche Bedingung zur Erlangung der Seligkeit galten und bei ihrem Widerspruche gegen die gesunde Vernunft alle freis eren Untersuchungen derselben unmiglich machten; ferner der Mangel an historischer und philologischer Wissenschaft und Kritik und der, wo miglich, noch großere an Naturs kunde und Psychologie; endlich die aus allem Diesen Hervorgehende unnuke Verwendung des Fleißes und Scharfsinnes auf regelrechte Unterscheidungen, Erklärungen und Demonstrationen erkenntnißlecrer Begriffe und auf die Lösung werthloser, von irregeleiteter Spikfindigs keit ersonnener Probleme. Könnte ohne Freiheit und Gesundheit in dem Vernunftgebrauche, auf dem während des ganzen Mittelalters das Joch zahlloser Mißverständ= nisse und Vorurtheile lastete, und ohne die Hülfsmittel, welche die Geschichte, die Sprachkunde und die Bekannt schaft mit den Erscheinungen und Gesezen per Natur darbieten, etwas wirklich Brauchbares und Bedeutendes in der Sphäre der philosophischen Speculation geleistet werden, so wurde der unermudliche Fleiß, Eifer und Scharfsinn der Scholastiker es geleistet haben. Aber zuz folge der ungunstigen Bedingungen, unter denen sie phis losophirten, konnte bei ihnen trok alles Auswandes geis stiger Anstrengung doch nichts Besseres zum Vorschein kommen, als eine nach entgegengesekten Richtungen bald auf den Irrwegen einer gehaltlosen, spiksindigen Dialeks tik, bald auf denen einer schwärmerischen Mystik sich verlierende Grübelei, unter deren Mißgriffen und Blend= werken nur selten ein etwas hellerer Blick in das Reich des philosophisch Erkennbaren auf eine erfreulichere Weis se sich bemerkbar macht. |