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tigkeit auf dem Feide der Philosophie sind die neuplatonisirenden Speculationen des Johannes Scotus Erigena. Er war in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts in Irland geboren, woselbst während des siebenten und achten Jahrhunderts die Mönchskldster in dem Rufe standen, die besten Pflanzschulen des Christenthums und der Gelehrsamkeit in der lateinischen Kirche zu seyn. Das Wenige, was von seinem Leben mit Zuverlässigkeit bekannt ist, fällt in die Zeit, da er unter Karl dem Kahlen, dessen vorzugliche Hochschakung und Gunst er genoß, zu Paris an der Spike der koniglichen Hofschule stand. Seine in der lateinischen Kirche damals ganz ungewohnliche, übrigens, wie wir aus manchen Spuren in seinen Schriften noch abnehmen konnen, eben nicht sehr grundliche und umfassende Kenntniß der griechischen Sprache verschaffte ihm den Vorzug vor seinen gelehrten Zeitgenossen unter den abendländischen Christen, daß er neben den lateinischen Kirchenvåtery, neben dem Boethius und ähnlichen Schriftstellern auch den Platon und Aristoteles und die griechischen Kirchenvåter, so weit er ihrer habhaft wurde, in der Ursprache studiren konnte. Von Allem, woraus sein lebhafter Geist Nahrung und Erz regung zog, sprach ihn am meisten an und wirkte am entschiedensten auf ihn der erhabene Phantasieschwung und das geheimnisvolle mystische Dunkel in den angeblichen Schriften des heiligen Dionysius. Diese übersekte er auf Befehl seines koniglichen Gebieters in das Latei= nische, und fügte später gleichfalls nach Karl's Willen die Uebersehung der griechischen Scholien des Maximus zum Gregorius von Nazianz hinzu, in denen er die schwierigsten dunkelsten Stellen aus dem Dionysius an= geführt und nach seiner Meinung auf das treffendste ers läutert fand *).

Seine ausgezeichneten Anlagen zum speculativen Denken, die aus seinen beiden im Drucke vorhandenen Schriften über die Eintheilung der Natur 2) und über die Vorherbestimmung 3), besonders aus der ersteren, in der er sein gesammtes theologisch = philosophisches System vortragt, unverkennbar hervorleuchten, würden ihn unter ans deren und glucklicheren Bedingungen der Entwicklung wohl in die Reihe der Heroen unserer Geschichte erhoben haben.

1) Vergl. die Zueignung dieser Uebersehung an Karl den Kahlen, wo Erigena sagt: fortassis autem qualicunque apologia defensus non tam densas subierim caligines, nisi viderem praefatum beatissimum Maximum saepissime in processu sui operis obscurissimas sanctissimi theologi Dionysii Areopagitae sententias, cujus symbolicos theologicosque sensus nuper Vobis similiter jubentibus transtuli, introduxisse mirabilique modo dilucidasse.

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2) De Divisione Naturae Libri V, Oxonii, 1681. 3) De divina Praedestinatione, in Vindiciarum Praedestinationis et Gratiae, auctore Gilberto Mauguin, tomo posteriori, Paris. 1650, p. 111-190, worin er die Prådestinationslehre des Mónchs Gottschalk, seines Zeitgenossen, widerlegt, (welcher nach Anleitung des Augustinus behauptete, Gott habe eine doppelte Vorherbestimmung, der guten Engel und der auserwählten Menschen zum ewigen seligen Leben und der abtrúnnigen Geister und der bösen Menschen zur ewigen Strafe, festgesekt,) hierbei zu zeigen sucht, daß diese Ansicht eben so wenig dem Augustinus eigen als in der heiligen Schrift und in der Vernunft begrundet sey, und seine eigenthumliche Theorie von der menschlichen Willensfreiheit, von dem Begriffe der göttlichen Vorherbestimmung, von dem Wesen der Sunde und der Bedeutung der Strafen ihr entgegenstellt.

Unter den gegebenen erhielten sie aber eine so ungluckliche Richtung, daß die Leistungen seines Scharfsinnes für die Sache der zur Wissenschaft sich fortbildenden Philosophie so gut wie verloren gingen und daß die Resultate, wel= che sie hervorbrachten, wenn wir manchen lichtvolleren, aus der Platonischen und der Aristotelischen Schule sich herschreibenden und in der Mitte so vieler Phantasie= täuschungen unentstellt gebliebenen philosophischen Gedanken abrechnen, eigentlich nur einer mythischen, obgleich vom Sinn ungeheuchelter Frommigkeit durchdrungenen Theologie anheimfallen.

Eine kurze Andeutung seines Lehrbegriffes soll jedoch hier ihre Stelle finden, weil uns derselbe jene Vers schmelzung neuplatonischer und aus dem falsch verstandes nen Christenthume stammender Vorstellungen, welche schon bei mehreren Kirchenvåtern ihren Anfang genommen, welche in späteren Zeiten häufig wiederkehrt und bis auf den heutigen Tag unter uns ihre Liebhaber findet, in einem interessanten Beispiele zeigt, das uns im Allgemeis nen als Repräsentant dieser Denkart gelten moge.

Mit Augustinus nahm er an, die achte Philosophie und die achte Religion seyn Eins und Dasselbe *).

1) De divina Praed. p. 111: sic enim, ut ait sanctus Augustinus, creditur et docetur, quod est humanae salutis caput, non aliam esse philosophiam, i. e. sapientiae studium et aliam religionem. - Quid est aliud de philosophia tractare, nisi verae religionis, qua summa et principalis omnium rerum causa, deus et humiliter colitur et rationabiliter investigatur, regulas exponere? Conficitur inde, veram esse philosophiam veram religionem, conversimque veram religionem esse veram philosophiam. Vergl. Augustin. Die religidsen oder philosophischen Wahrheiten, meint er ferner, seyn zunächst zwar in allen Zeugnissen der heilis gen Schrift enthalten. Da aber die Ausdrücke dersel ben oft uneigentlich, mit Herablassung zur Schwäche der menschlichen Intelligenz abgefaßt, daher schwerverstånd= lich und der Auslegung so sehr bedurftig seyn, so müssen jene Wahrheiten zweitens in den Erklärungen der vom göttlichen Geist erleuchteten Kirchenväter gesucht werden,

de vera religione, cap. 5. Nach Platon's Sprachgebrauche bezeichnet er die speculative Philosophie uberhaupt mit dem Worte Dialektik. De naturae Divis. p. 19. u. 25: quid nos prohibet, diffiniendi disciplinam inter artes ponere adjungentes dialecticae, cujus proprietas est, rerum omnium, quae intelligi possunt, naturas dividere, conjungere, discernere, propriosque locos unicuique distribuere, atque ideo a sapientibus vera rerum contemplatio solet appellari? Das dialektische Verfahren des Verstandes oder die Methode der Behandlung aller wissenschaftlichen Probleme zerfällt nach ihm in folgende vier Momente: 1) Eintheilung des Einen in ein Mehrfaches, 2) Hervorhebung des Einen aus Vielem durch Begrenzung und Bestimmung, 3) Beweisfuhrung durch Aufhellung des Dunklen aus dem Offenbaren, 4) Auflö sung des Zusammengesekten in dessen einfache Bestandtheile. Vergl. de divina praed. p. 111. u. 112: quae (philosophia) dum multifariam diversisque modis dividatur, bis binas tamen partes principales ad omnem quaestionem solvendam necessarias habere dinoscitur, quas graecis placuit nominare διαιρετική, ὁριστικὴ, ἀποδεικτική, ἀναλυτική, easdemque latialiter possumus dicere divisoriam, diffinitivam, demonstrativam, resolutivam. Quarum enim prima unum in multa dividendo segregat, secunda unum de multis diffiniendo colligit, tertia per manifesta occulta demonstrando aperit, quarta composita in simplicia separando resolvit.

vor allem in den Mittheilungen des Dionysius, den er den großen und gdttlichen Offenbarer nennt *). Diesen gottbegeisterten Dolmetschern der heiligen Schrift sekt er die Weltweisen entgegen 2), welche, wie er meint, haufig, besonders in den wichtigeren Puncten der Gotteserkenntniß, geirrt und mehr nur im Bezug auf das Seyn und Erkennen der irdischen vergänglichen Dinge manche brauchbare Lehre zu Tage gefördert haben.

6. Er beginnt die Reihe seiner Untersuchungen in der genannten Schrift über die Eintheilung der Natur" mit Aufstellung des vierfachen Unterschiedes, in welchem nach ihm die gesammte Natur oder die Allheit des Seyns, aus dem Gesichtspuncte, den der Begriff des Schaffens darbietet, erwogen, unserer unterscheidenden Denkkraft sich kundgibt. Sie ist, behauptet er, theils die Natur, welche schafft und nicht geschaffen wird, theils diejenige, welche geschaffen wird und zugleich schafft, dann die bloß ge= schaffene, nicht aber schaffende, endlich die weder schaf fende, noch geschaffene 3). Die erste ist Gott als der ursprungslose, schlechthin durch sich selbst bestehende Urheber

1) Vergl. unter vielen anderen hierher gehörigen Stellen de Divis. Nat. I. p. 37. III. р. 106.

2) 1. c. p. 104. V. p. 240. saeculares philosophi oder sapientes mundi - divini sacrae scripturae interpretes, pie atque catholice philosophantes, catholici viri, sancti theologi.

3) 1. c. I. p. 1.: videtur mihi divisio naturae per quatuor differentias quatuor species recipere, quarum prima est, quae creat et non creatur, secunda, in eam, quae creatur et creat, tertia, in eam, quae creatur et non creat, quarta, quae nec creat, nec creatur.

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