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zu gebrauchen. Wer diesen Grundgedanken Steuarts nicht erfaßt und glaubt Steuarts Begriff der Freiheit sei der naturrechtliche, wird ihn nie verstehen.

Wenn ich nun noch hinzufüge, daß er zuerst über das Verhältnis der Ethik zur Politischen Ökonomie gehandelt, überall der Geschichte den ihr gebührenden Plaß in der neuen Wissenschaft angewiesen, den Umfang der ,,political economy" säuberlich als das Gebiet der Volks- und Staatswirtschaft abgesteckt und die Nationalökonomie durch bedeutende selbständige Untersuchungen bereichert hat, so kann ich nicht umhin, ihn für einen der größten Nationalökonomen zu halten, jedenfalls für den größten des 18. Jahrhunderts. Von allen Seiten hat er gelernt, wahrscheinlich von Justi und Wolff ebensoviel wie von Montesquieu, Quesnay, Helvetius und Hume. Aber ich übersehe nicht, daß auch auf ihn zwei Fehler unserer Wissenschaft zurückzuführen sind, die Verbannung der Ethik aus der Politischen Ökonomie und die Methode der isolierenden Abstraktion aus der Prämisse des Selbstinteresses.

Zweiter Abschnitt.

Methodenlehre und Methode Adam Smiths.

Die im vorhergehenden Abschnitt geführte Untersuchung hat folgende Ergebnisse gehabt. Bacon und Descartes entwickeln einseitig je eine Methode der Forschung, die auf allen Wissensgebieten angewandt werden soll. Die mathematische Methode wird von Hobbes auf seine Staatslehre übertragen, von Pufendorf in dem systematischen Naturrechte zur Geltung gebracht. Beider Verfahren besteht darin, daß aus der empirisch gegebenen Thatsache des menschlichen/Egoismus deduziert wird. Auch in der Nationalökonomie, die ja in so enger Verbindung mit dem Naturrechte heranwächst, treffen wir auf Deduktionen aus dem wirtschaftlichen Eigennut, welcher durch Mandeville zu einem anerkannten Faktor des Wirtschaftslebens erhoben worden war, z. B. in der physiokratischen Steuerlehre. Der Eigennuß ist für diese Männer noch keine methodisch beschnittene Größe, sie machen sich noch keine Gedanken darüber, ob der Eigennuß überall gleich groß ist und sind deshalb auch nicht geneigt, sich mit methodischen Vorbehalten abzugeben. Das konnte erst geschehen, als die empirische Psychologie größere Fortschritte gemacht hatte, was aber dem Wiederaufleben der baconischen Grundsäße zu verdanken war.

Nachdem die induktive Richtung sich Bahn gebrochen hatte, was in der Medizin durch Sydenham und Boerhave geschah, denen sich der französische Arzt Quesnay anschloß in der Er

kenntnistheorie und Ethik durch Locke, Hutcheson und im bewußten Anschluß an Bacon durch Hume; nachdem in Frankreich dieselben Tendenzen den „Esprit des Lois" hervorgebracht hatten, welcher das philosophische Naturrecht auf allen Punkten bekämpfte: da war es nicht mehr die Aufgabe der Forscher, möglichst rasch an ein Princip zu gelangen und von diesem zu deduzieren, sondern durch aufmerksame Beobachtung, sorgfältige Experimente, umfassende Vergleichung das gesamte Forschungsgebiet in allen seinen Teilen aufzuhellen und so die Principien der Wissenschaft kennen zu lernen, aus denen die Phänomene durch Synthese erklärt worden. Da nun Smith aus dieser Geistesrichtung reichliche Nahrung zieht, so ist es schon ein verkehrter Gedanke, nach dem Princip seines nationalökonomischen Werkes zu fragen. Die Frage ist stets in verschiedener Weise beantwortet worden. Die Antwortenden haben auch das Ungenügende ihrer Ergebnisse eingesehen, aber die Schuld nicht sich selbst, sondern dem unwissenschaftlichen Geiste Smiths zugeschrieben, was eine gute Meinung von ihren eigenen Fähigkeiten und den Glauben verrät, daß der Inhalt aller Wissenschaften notwendigerweise aus einem Princip deduziert werden müsse.

Die Principien der Politischen Ökonomie, welche die Vertreter der induktiven Richtung fanden, waren anthropologische / und sociologische. Aber es gelang nicht, alles zu verwerten, was man entdeckt hatte. Die sociologischen Principien sind am unverkümmertesten zur Wirkung gekommen; das lag daran, daß Montesquieu sie in seinem Werke, zu dessen Durcharbeitung ihn jahrelange Muße befähigt hatte, so deutlich entwickelt, so allseitig ausgebreitet, so tief in den Geist seiner Leser gegraben hatte, daß an ein Vergessen und übersehen nicht gedacht werden konnte. So geringem Verständnis Montesquieu bekanntlich begegnete, als er das Manuscript seines Werkes „Proles sine matre creata“ einigen Freunden vorlegte, weil seine Anschauung der bisherigen Denkrichtung vollständig widersprach, so groß war der Einfluß, den er in ganz Europa, nicht zum mindesten auf die berühmten Schotten Hume, Steuart und Ferguson aus

übte. Dagegen haben die anthropologischen Principien nicht die Anwendung gefunden, welche ihnen gebührte. Erst im neunzehnten Jahrhundert ist die Arbeit aufgenommen worden, welche Hume hätte leisten können, aber nicht geleistet hat1). Denn von ihm war ja schon die Kraft des Thätigkeitstriebes und die fundamentale Macht der Sitten und Gewohnheiten erkannt. Leider hat er nur Essays" geschrieben, in denen er natürlich nicht vollständig den Schatz seiner psychologischen Erkenntnisse eröffnen konnte, wie es in einem systematischen Werke möglich gewesen wäre, in dem der Verfasser zur vollständigen Darlegung und zur Ausprägung seiner Überzeugungen gezwungen wird.

So blieben denn die psychologischen Grundlagen, welche Mandeville im Anfang des Jahrhunderts der Volkswirtschaftslehre gegeben hatte, in unbestrittenem Ansehen und dies um so mehr, als Hume auf Mandeville als auf einen seiner Vorgänger hingewiesen hatte. Jene Grundlagen waren die Lehren, daß der Mensch träge ist, nur durch seine Leidenschaften zur Arbeit gezwungen werden kann, welche alle Güter hervorbringen muß, daß er in der heutigen Wirtschaftsordnung, die eine Tauschgesellschaft ist, für Andere arbeiten muß, aber für sich allein zu arbeiten meint: kurz, daß die allgemeine Selbstsucht das Triebrad der volkswirtschaftlichen Bewegung ist2). In die induktive Periode ragte

1) Siehe Schmollers „Über einige Grundfragen des Rechts und der Volkswirtschaft" Kap. III, insbesondere S. 40-42: Die zwei Reihen von Ursachen, welche die Volkswirtschaft beherrschen. In England wirkte in derselben Richtung Cliffe Leslie. Siehe seine „Essays“, die fast auf allen Seiten für eine psychologische Behandlung wirtschaftlicher Fragen eintreten. Ein kleines Meisterwerk dieser Richtung der „Auvergne" betitelte Auffah.

2) Daß auch Smith Mandeville höher schäßte, als die „Theorie der moralischen Gefühle“ anzunehmen erlaubt, zeigt eine Stelle aus einem Aufsage Smiths, welcher 1755 in der „Edinburgh Review" veröffentlicht wurde. Er hebt dort die große überlegenheit der englischen Philosophie über die französische hervor. In England hätte eine ganze Reihe von Männern die Erkenntnis vermehrt, unter ihnen nennt er auch Mandeville. But Mr. Hobbes, Mr. Locke, and Dr. Mandeville, Lord Shaftesbury, Dr. Butler, Dr. Clarke, and Mr. Hutcheson have all of them, according to their different and inconsistent systems, endeavoured at least to be, in some measure, original, and to add something to that stock of observations

so ein ins Wirtschaftliche übersetter Saß herein, welcher in der deduktiven Periode das Princip des Naturrechtes gebildet hatte, aus dem deduziert worden war und der zu neuen Deduktionen reizte. Mit andern Worten: in das Fundament unserer Wissenschaft, das bewußt von Montesquieu, Hume und Quesnay aus induktivem Material hergestellt worden war, wurde ein mächtiger Baustein aus anderem Stoff eingefügt.

Diese Grundgedanken werden weiter entwickelt von Ferguson und Steuart. Der Erstere erklärt die „commercial society" mit der in ihr waltenden Seele des „self-interest" sociologisch, der Andere stellt zum ersten male eine eingehende Methodenlehre der Wissenschaft von der Volkswirtschaft der „commercial society" auf. Auch er weiß, daß die Sitten und Gewohnheiten, der Geist eines Volkes mächtige Faktoren der Wirtschaft sind, aber er weist ihre Betrachtung fast ausschließlich der Domäne des Staatsmannes, der praktischen Politik zu. Die Theorie beschäftigt sich mit dem Geschlechtstrieb und dem Selbstinteresse. Die empirische Psychologie ist nun zu weit vorgerückt, als daß dieses Princip unbesehen verwendet werden könnte und Steuart gibt sich Mühe, diesen Faktor, der nicht mehr entfernt werden kann, hoffähig zu machen, er schafft die Methode der isolierenden Abstraktion aus der Prämisse des universellen, gleichen Selbstinteresses. Aus diesem Faktor, den er als überall gleich wirkende Kraft annimmt, deduziert er nun auch, und berührt sich so mit den Physiokraten. Vermittelst dieses Verfahrens waren die Gefeße vom Preise, vom Lohne, vom Geldzinse, von der Steuerüberwälzung in mehr oder minder vollkommener Weise aufgestellt worden.

Dies erklärt es nun, daß zur Zeit Smiths zwei Methoden ein einträchtiges Leben nebeneinander führten: eine induktive und eine deduktive aus der Prämisse des universellen Selbstinteresses. Die Verschmelzung, richtiger die Vermengung der beiden mit einander wurde aber dadurch erleichtert, daß ja auch die induktive

with which the world had been furnished before them. Dugald Stewart, Collected works, X, S. 87.

Hasbach, Untersuchungen über Adam Smith.

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