seinem Systeme hat er die von ihm so hochgeschikten angeblichen Urkunden der erhabensten Weisheit des Alter hen, wollen wir auf folgende Art philosophiren. Die Philosophie ist das Streben nach Weisheit. Die Weisheit ist die Erkenntniß des Alls. Das All der Dinge besteht durch Ordnung. Die Ordnung besteht durch den Unterschied des Früheren und Späteren. Wenn Jemand mit dem Spateren seine philosophische Untersuchung beginnen wollte, so würde er die Ordnung der Dinge verwirren, und über sich selbst und über die Dinge nur Dunkelheit bringen. Mit dem Ersten also beginne unsere Untersuchung. Soll dies Erste aber ein Bekanntes oder ein Unbekanntes seyn? Fingen wir bei Unbekanntem an, so wurde auch alles Folgende uns unbekannt seyn, Ueber Unbekanntes läßt sich keine Philosophie zu Stande bringen. Von Bekanntem ist also anzufangen. Alle Erkenntniß entspringt aus dem Verstande, beginnt aber mit der Thätigkeit der Sinne. Unter den Sinnen ist das Gesicht der erste, sowohl wegen seiner edlen Beschaffenheit, als wegen seiner vorzuglichen Kraft und der Würde seiner Thätigkeit. Das Erste und zuerst Erkannte für das Gesicht ist Licht und Helligkeit. Mit ihrer Hülfe werden die meisten Verschiedenheiten der Dinge offenbar. Licht und Helligkeit bieten sich den eben Gebornen sogleich dar. Durch sie erblickten schon die Alten das in der Höhe, in der Mitte und unten Befindliche. Das Erblickte bewunderten sie, bewundernd stellten sie Betrachtungen an, be trachtend philosophirten sie. Die Philosophie ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Spróßling des Lichtes, der Helligkeit, der Bewunderung, der Betrachtung. Mit Erwágung des Lichtes also und der von ihm ausgehenden Helligkeit, des vortrefflichsten unter den sinnenfälligen Dingen, welche dem ersten der Sinne zuerst bekannt sind, wollen wir den ersten Grund unserer Philosophie legen. Hätten die alten Philosophen dies gethan, so wurden sie nicht Gegenstande, welche den Sinnen, wie dem Verstand unbekannt sind, das Chaos, die Homóomerieen, die Atome, erste und zweite Materie, u. f. w. für Urgrinde der Dinge ausgegeben haben, nicht in so große Uneinigkeiten gekom 1 ? 1 : thumes, die Orakelspruche des Zoroaster, die er aus neus platonischen Schriften ausgezogen und gesammelt, die Herz metischen Bucher und die mystische Philosophie der Aes gyptier und Chaldaer, lektere bloß in einer lateinischen Uebersehung, abdrucken lassen, 20. Ein dritter mit Telesius und Patricius unges fähr gleichzeitig lebender Italianer, Jordanus Brunus *), wie sie, ein Gegner der Aristotelischen Philosophie, wel= cher an Kenntniß der classischen Litteratur und der alten Philosopheme dem Patricius gleich oder doch nahe stand, aber mehr Tiefsinn und Originalitat, als dieser, mit einer men seyn und nicht die Philosophie in einen Abgrund von Dunkelheiten gestürzt haben. Das Licht also und dessen erstgebornes Kind, die Helligkeit müssen wir vor Allem erkennen. Durch sie müssen wir zu dem ersten Licht und dem Vater alles Lichtes aufsteigen. Bei ihm müssen wir ein wenig verweilen und von ihm dann alle Dinge ableiten. Durch die abgeleiteten müssen wir zu ihm wieder zurückkehren, um ewig bei ihm zu bleiben. 1) Giordano Bruno, aus Nola im Neapolitanischen. Seine Eltern und sein Geburtsjahr sind unbekannt. Er trat in seiner Jugend in den Dominikanerorden, den er später verließ. Um 1580 begab er sich aus seinem Vaterlande hin weg, und hielt sich eine Reihe von Jahren hindurch außerhalb desselben auf, indem er nirgends eine dauerhafte Ståtte findend zu Genf, Lyon, Toulouse, Paris, London, Wittenberg, Prag, Helmstadt und Frankfurt am Main lebte, lehrte und Schriften herausgab. Im Jahre 1592 erblicken wir ihn wieder in Italien und zwar in Padua. Hier blieb er einige Jahre unangefochten, bis er 1598 von der Inquisition ergriffen, erst nach Venedig und dann nach Rom geführt wurde, wo er 1600 den 17ten Februar auf dem Schei= terhausen sein Leben endete. eben so reichen dichterischen Einbildungskraft und einem eben so häufig spielenden Scharfsinne verband, auch an Naturkunde ihm überlegen war, ergriff und benukte auf eine selbstständigere Weise die pantheistischen Vorstellun gen, die er in den neuplatonisirenden Schriften und in den älteren griechischen Systemen gefunden, und bildete aus ihnen eine von den Emanationsbegriffen des Neuplatonismus gereinigte und von dem alt hellenischen Geiste mehr durchdrungene eigenthumliche Auffassung und Dars stellung der All = Eins: Lehre. Die physikalische Kosmologie, die er neben seiner metaphysischen Weltansicht und im genauen Zusammenhange mit ihr entworfen, zeichnet sich durch eine wurdige, erhabene Vorstellung vom Weltgebäude und auch dadurch aus, daß er in sie die damals noch neue und wenig verbreitete Copernikanische Hypothese ausgenommen. Den Mangel an logischer Verstandesbildung und an wissenschaftlicher Methode theilte er mit seinen philosophirenden Zeitgenossen. Aus diesem Mangel und aus einer eigenthumlichen Mischung von productiver Einbildungskraft und analytischem Talent in seinem Kopf ist es zu erklären, daß er viel Zeit und Mühe, während der ganzen Dauer seiner litterarischen Thätigkeit, auf den nichtigen Zweck verwandte, die LulI sche Kunst zu vervollkon.mnen und zu erläutern und mit ihrer Hülse das System des Seyns in einem entspre chenden Systeme von Begriffen und Erkenntnissen aufzus fassen. Auch stimmte er mit Lullius und den Freunden der platonisch kabbalistischen Philosophie in der Hins neigung zur Magie und Astrologie überein. Dagegen ers hob er sich über sein Zeitalter durch seine võllige Unab hängigkeit von den Sakungen der Kirchenlehre, wie übers こ haupt von aller Autorität berühmter und vielgeltender Namen. Seine Schriften beziehen sich großentheils auf seine Bearbeitung und Anwendung der Lullischen metas physischen Topik *) und die mit diesem Gegenstande sich 'befassenden sind für uns von geringem Werthe und bes lohnen nicht die Muhe des Verständnisses, zumal da sie vermige einer Verwicklung subtiler Unterscheidungen, dias lektischer Spielereien und allegorischer Darstellungen, wozu noch der häufige Gebrauch einer im epischen Versmaße sich bewegenden poetischen Sprache kommt, eine råthsels hafte Dunkelheit besiken. Nur wenige Abhandlungen hat er hinterlassen, in denen er seine für uns bemerkenswer= theren und wahrhaft bedeutenden Ansichten in einigem Zusammenhange und mit einer mehr befriedigerden Klarheit, obgleich keineswegs in systematischer Ordnung und Bundigkeit, ausgesprochen. Unter ihnen enthält die eis Hierher gehören de compendiosa architectura et complemento artis Lullii. Paris. 1582. 12., de umbris idearum. Paris. 1582.8., explicatio triginta sigillorum, ohne Jahrzahl und Druckort, de lampade combinatoria Lulliana. Vitebergae, 1587.8., de progressu et lampade venatoria logicorum. ebendas. 1587. 8., de imaginum, signorum et idearum compositione. Francof. 1591. 8., de triplici minimo et mensura, und de monade, numero et figura, beide gleichfalls zu Frankfurt 1591, und andere. Buhle hat sich dadurch ein Verdienst erworben, daß er diese und die übrigen Brunischen Schriften, welche zu den litterarischen Seltenheiten gehören und fast alle auf der Göttinger Bibliothek sich finden, soweit sie daselbst vorhanden, nicht bloß ihrer äußeren Form, sondern auch ih= rem Hauptinhalte nach beschrieben, in seiner Geschichte der neueren Philosophie, 2ten Bandes ater Hälfte, S. 716 854. : ne *) seine metaphysischen Gedanken für sich allein, und die anderen 2) enthalten seine Theorie vom Weltgebau de in Verbindung mit denselben. Diese haben wir daher allein bei einer gedrängten Zusammenstellung der Haupt puncte seiner philosophischen Lehre zu berucksichtigen. 21. Alles, behauptet Bruno, was existirt, hat Grunde, von denen seine Existenz abhängig ist, bis auf den obersten Urgrund von Allem und Jedem. In dies sem vereinigen sich die vier Gattungen von Ursachen, des ren Begriffe bereits von den Alten unterschieden worden, in ihm ist die lekte materiale, formale, wirkende und Endursache enthalten. Das Urwesen ist das schlechthin einfache, selbstständige, unbegrenzte und allumfassende Wes sen und begreift in seiner unendlichen Einheit die volle kommene Möglichkeit des Daseyns der von ihm abhängis gen, einzelnen und verschiedenen Dinge, sowohl nach ih rer Besonderheit, als nach ihrer Gesammtheit im All der 1) De la causa, principio et uno, (angeblich in Venetia) 1584. 8. F. H. Jacobi's Auszug aus dieser in fünf Dialogen bestehenden Schrift ist eine nicht minder treue, als schon geschriebene Nachbildung ihres hauptsächlichen philosophischen Inhaltes, welcher erst mit dem zweiten Dialoge beginnt, und ihrer interessantesten Stellen. (S. F. H. Jacobi's Werke, 4t. Band, 2te Abth. S. 5-46.) 2) La cena de le cineri, descritta in cinque dialoghi per quatro interlocutori. Parigi, 1584. und de l'infinito, universo et mondi. Venetia, 1584. 8. gleichfalls in funf Dialogen abgetheilt. Eine spätere, erweiterte urd grind*lichere Bearbeitung des Inhaltes dieser lekteren Schrift erschien zugleich mit der Abhandlung de monade, numero et figura und mehreren anderen zu Frankfurt, 1591. g. un ter dem Titel: de immenso et innumerabilibus, seu de universo et mundis. : |